Salle des Officiers 1770
Schloß Adolphseck gen. Fasanerie
Aufgabe
Der erste „Salle des Officiers“ im fuldaischen Schloß Adolphseck sollte die die Bildung der Herrn Officiers in den Regimentern befördern, die in ihren
entlegenen Garnisonen nicht so leicht auf die Officiers vom Artillerie- und Ingenieurcorps treffen können. In der Instruction vom 11. Mai 1763 bestimmt der König unter anderem:
S.K.M werden sich genau zur Zeit der Revue bei denen Regimentern nach denen Officiers erkundigen, die sich am meisten auf der Erlernung der
Fortification, Artillerie, Geographie, Sprachen und auf die Kenntniss des Landes befleißigt habe, diejenigen, deren Application und Conduite gut ist, welche die wahre Ambition besitzen, einst General-Feldmarschälle
und commandierende Generals zu werden, die haben sich alsdann Gnadenbezeugungen und Avancement vorzüglich zu versprechen.
Tielke schreibt in seinem Vorwort zu den Feldingenieurs:
Es ist leider bei den militairischen Schriftstellern der Gebrauch, daß jeder bloß für die Generals zu schreiben sucht. Welche Menge von Kriegskünsten und
Taktiken ... für die niederen Offiziers keine. .... Heere anzuführen, ist das Größte, was dem menschlichen Stolz schmeicheln kann. Die Wissenschaft davon gefällt: weil sie so leicht beschrieben ist, so traut man
sich zu, sie zu verstehen, und die Eigenliebe beredt einen, man würde im Felde ebenso leicht marschieren, lagern und schlagen lassen, als man es auf dem Papiere gelernt hat. Man versäumt darüber zu lernen, was zu
den Posten, den man bedient, gehört, und welches die ersten Staffeln ausmacht, die zu höheren Kenntnis leiten, man beurtheilt kühn die Maneuvres der größten Feldherrn, ... Meine Absicht also war, nicht für die
Generals, sondern nur für die niederen Offiziers zu schreiben.[...] Sucht man aber zu unterrichten, so muß man sich bemühen, verständlich und faßlich zu werden.
Lösung
Man logierte im linken Kavaliershaus des Schlosses Adolphseck oberhalb von Eichenzell, in dessen „bel étage“ der Unterricht stattfand. Je ein Raum
waren als Saal für den Unterricht, als Speisesaal und als Quartier eingerichtet. Sechs Officiers, und ein Kavalier besuchten die Schule; ein Kammerherr, ein Bursche und ein Diener stellten die Bedienten. Die
Messieurs les Officiers waren:
v. Gontzenbach, königl.-pr. Ingenieurcapitaine als Directeur ad interim, future génie en chef de la place de Graudenz
Krückeberg, Capitaine im Bückenburgischen Artilleriecorps
v. Polchau, Lieutenant von der kurhannöverschen Artillerie
de Bouillon, Lieutenant beim Regiment Itzenplitz
v. Gräfenstein, Capitain und Exerciermeister der Gräflich Schönburgischen Schloßcompagnie, Glauchau, in Diensten seiner Reichsgräflichen
Erlaucht Graf Albert Christian Ernst von Schönburg
v. Hohenstein, Chirurgus beim Regiment Alt-Kleist
v. Poellnitz, Seiner königlichen Majestät Vorleser
Lection I: Capitaine Gontzenbach erläutert die Anfangsgründe der Befestigungskunst an Hand eines Modells zur I. Vaubanschen Manier, welches speziell für den
Salle gefertiget wurde. Ausgehend vom todten Winkel und Winkel erläutert er die Gliederung einer Festung der heutigen Tage, auch einige französischen Besonderheiten, wie die Grabenschere. Im zweiten Teil legt er den
Officier vor Augen, wie eine Festung förmlich über Parallelen und Approchen anzugreifen sei, und wie selbige nach allen Regeln der Kunst am 21ten Tagen fallen wird. Er empfiehlt besonders die Lektüre des Dupain de
Montesson für die unerfahrenen Officiers von der Infanterie, welche sich auf leicht faßliche Weise mit dem befestigten Plätzen und ihrer Belagerung vertraut machen können.
Karl-August Struensees Anfangsgründe der Kriegsbaukunst, Zweither Theil, Liegnitz und Leipzig, 1786
Dupain de Montesson, Louis Charles: Les amusements militaires: ouvrage également agréeable et instructif, servant d’instruction aux sciences qui forment les Guerriers. Avec figures en
taille-douce, par M. Dupain, ingenieurs géographe des camps & armées du Roi, officier réformé au Régiment de Piémont, Paris 1757
Lection II: Capitaine Krückeberg stellt die materiellen Einrichtungen der Artillerie, speziell der Feldartillerie, dar. Er expliziert den Aufbau der
Geschützöhre, der Affuite, der Protze und der Geschoßarten. Hierbei griff er auf Modelle des Salle des Officiers zurück.
Struensee, Karl August: Anfangsgründe der Artillerie, zweythe Auflage, Leipzig und Liegnitz, 1769
Lection III: Capitaine Gontzenbach zeigte zuerst an Hand der Charte der Bataille von Minden, welche Plancharaktere dem Militair nützlich und wichtig sind,
und wie das Terrain auf dem Pappiere gezeichnet wird. Obwohl das Krokiren nach dem Augenmaß schwierig und oft nicht richtig ist, so ist es doch einzige, was einem Cavallerie- und Infanterieofficier abverlangt werden
kann. In der Exercisse mit je drey Herrn Officiers wurde einmal die Chaussee zum Schloß und der Seitenweg zum Teehaus bei klirrendem Froste aufgenommen. Entfernungen wurden in Schritt bestimmt, und die Herrn
Officiers hatten einen Transversal-Maaßstaab auf das Krokis zu setzen.
Tielke, Johann Gottlieb: Unterricht für die Officiers, die sich zu Feld-Ingenieurs bilden, oder doch den Feldzügen mit Nutzen beywohnen wollen durch Beispiele aus dem letzten Kriege erläutert und mit
nöthigen Plans versehen, Dresden
Lection IV: Capitaine v. Gräfenstein explizierte den Herrn das Salvieren mit dem Esponton, welches der Infanterie besonders important. Das kalte
Wetter verlangte, daß diese Exercisse in den Saal verlegt wurde.
Lection V mit Captn. Gontzenbach: Die Belagerung 1762 von Schweidnitz im letzten Kriege steht einzig da, weil der König in eigener Person den Angriff
leitete und der Major le Fevre (auch le Febure) bewies, daß eine Festung mit überladenen Mienen (Globes à Compression) einzunehmen sey. Den kayserlichen Vertheidigern unter Gen. Guasco und dem Chef des Artillerie-
und Ingenieurcorps Gribeauval gelang es, den angreifenden tapferen Preußen hohe Verluste zuzufügen und die bedingungslose Übergabe der Festung durch einen 40 Tage dauernden Minenkrieg hinauszuzögern.
Lloyd: Geschichte des siebenjährigen Krieges in Deutschland zwischen dem Könige von Preußen und der Kaiserin Königen mit ihren Alliirten, aus dem Englischen übersetzt von G. F. v. Tempelhof, Sechster
Theil, 1762, Berlin 1794
Tielke, Johann Gottfried: Beyträge zur Kriegkunst und Geschichte des Krieges von 1756 bis 1763, IV Stück, Freyberg 1781
Lection VI: Lieutenant v. Polchau zeigte den Messieurs, welche Bedienung bey einem Canon von nöthen sey und wie die Commandos am Geschütz gegeben werden
müssen.
Siehe Struensees Artillerie wie oben
Lection VII: Der Capitaine Krückeberg von die Bückeburger, wohl auch Zeuge der Bataille von Minden am 1. Augustus 1759, gab den Officiers ein lebhaftes Bild
von der Schlacht auf den Weg, in welchen er die Dispositionen beider Seiten beschrieb und die Chancen für den Sieg auf beiden Seiten sorgfältigst gegeneinander abwog. Die hohe Feldherrnkunst besteht darin, stets
richtig nach den Umständen zu handeln und vom Plane abzuweichen, besonders dann, wenn Untergebene, wie ein gewisser Lord Sackville, es nicht verstehen, ihre Pflicht zu erfüllen.
Lloyd: Geschichte des siebenjährigen Krieges in Deutschland zwischen dem Könige von Preußen und der Kaiserin Königen mit ihren Alliirten, aus dem Englischen übersetzt von G. F. v. Tempelhof, Dritter
Theil, 1759, Berlin 1795 mit der Schlacht bey Minden
Ergebnis
Capitaine v. Gontzenbach beschloß den Salle des Officiers am Sonntag gegen 2 Uhr des Mittags. Er legte den Herrn Officiers nahe, das Erlernte nach Kräften
sich zu vergegenwärtigen und zu üben, und er werde es sich angelegen seyn lassen, die Exercissen für die Artillerie und die Feldingenieurs beim Sommerlager zu continuieren.
(c) Photos Michael C. Lang,
(c) Text und Zeichnungen Martin Klöffler
Disposition zum Salle des Officiers
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