6te
Kriegesschule Zeilitzheim
vom 11ten bis 13ten Novembris 1811
Die sechste Kriegesschule in Schloß Zeilitzheim setzte die Tradition der militärischen Bildung der vorigen Kriegesschulen fort. Diese Mal sollten die Taktik
der verbundenen Waffen, die Generalstabswissenschaften und das Kriegesspiel nach Reißwitz d.J. im Mittelpunkte stehen. Erfreulich war, daß diesenmahlen die Kriegesschule mit ca. 15 Offizieren bzw. Fähnrichs, besonders preußischen, frequentiert wurde.
Am Freitag, Schlag 2 Uhr nachmittags, eröffneten Exz. v. Geusau die Kriegesschule mit dem Worten des Artillerie-Majors v. Decker in Sachen
militärischer Bildung, verbundener Waffen und Generalstabswissenschaften:
„Wer ohne anleitende Vorbereitung im Kriege als Generalstabs-Offizier zu einer Division kommandirt wird, kann nicht anders als sich befangen fühlen, weil er eigentlich nicht weiß,
was zu seinem Dienst gehört und nicht dazu gehört. Nur erst durch lange Uebung erhält ein solcher Offizier Routine und eine gewisse Freiheit im Handeln, und diese ist doch unentbehrlich, wenn weder die Truppen durch
falsche Anordnungen leiden, noch das Land durch falsche Maßregeln bei der Führung, Lagerung u. s. w. der Truppen ohne Noth mitgenommen werden soll.
Der Ungeübte wird ohne erhaltene Anleitung lange im Finstern tappen, und sich so zu sagen an den Truppen und dem Lande exerziren, bis er sich einen tüchtigen Vorrath von Hausmitteln
und praktischen Erfahrungen erworben hat, um in einer verwickelten Lage nicht in Verlegenheit zu gerathen. Den Offizieren aus den Truppengattungen hierin zu Hülfe zu kommen, ihnen also den Dienst zu erleichtern,
ober sie darauf vorzubereiten, das ist der Hauptzweck der Kriegsschule.
Die Taktik lehrt den richtigen Mechanismus der Gefechte kennen, und sollte von jedem gründlich studirt werden, der im Gefechte einen Antheil an der Führung und Leitung desselben zu
nehmen bestimmt ist.“
Exz. v. Geusau stellten sodann einige neuere Werke aus seiner Kriegsbibliothek vor, und forderte die Herrn Officiers auf, darin recht fleißig zu studieren.
Im nachfolgen Vortrag legten Exz. v. Geusau den Aufbau und die Aufgaben des preußischen Generalstabs sowie die Gliederung der Armeecorps und Brigaden (vulgo Divisionen) vor, wie im verteilten Manuskript nachzulesen. Die Einteilung des
Generalstabsbüros in Sektionen und sowie einige Bespiele für materielle Einrichtungen desselben, wie in der Praxis bewährt, folgten auf dem Fuße.
Das Buffet am Abend war dann Anlaß zu manch angeregtem Dispute bis Mitternacht. Der Unterricht des Samstagmorgens begann um neun Uhr direkt nach dem
Frühstücke:
Capitaine Henri Christian Schäfer, wie immer sehr unterrichtend, widmete sich einem Teilaspekt des Stabsdienstes, nämlich der Dislokation der Truppen in Kriegs- und Friedenszeit nach Decker, welches uns auch als illustrierter Aufsatz vorliegt.
Capitain Brenneisen trug über die neue preußische Brigadetaktik mit den drei verbundenen Waffen vor, auch recht hübsch illustriert an einigen Tableaus.
Capitaine Schmidt stellte die „La tactique française" – basierend auf Pikeniers „Tridentiers“ - des Monsieur Dupuy-Lauron vor , der
zweifellos in Sachen absurde militärische Theorien mit dem preußischen Herrn v. Bülow auf gleiche Stufe zu stellen sein wird.
Colonel Chasseur berichtet am Beispiel der belgischen Campagne über die Zusammensetzung und Aufgaben des französischen Stabes.
Die dann servierte Suppe wurde in espritvoller Runde im Saale eingenommen.
Nach der Mahlzeit gaben sich Exz. v. Geusau die Ehre, Höchstselbst die Plancharaktere
nach den Spezifikationen des preußischen Ingenieurs v. Engelbrecht und den neueren des preußischen Generalstabs zu unterrichten. Die k.b. bayerische Generalkarte 1:50.000, die Uraufnahme von 1:25.000 von Zeilitzheim und die Karte des Kriegsspiels von 1:8000 dienten den Herren zur Anschauung. Da einige Herren Offiziers zum ersten Mal das Bley in die Hand nahmen, wurden auch einige Grundlagen des Krokierens der vorigen Schulen wiederholt. Die Übung bestand in einer
Recognoszierung
der Zeilitzheimer Höhe, welche von Morgen gegen Abend das Dorf Zeilitzheim und das Tal zwischen Zeilitzheim und Obervolkach dominiert. Die Herren waren gehalten, sich die Eigenheiten des Terrains wie Täler und Wälder für den verdeckten Aufmarsch beim morgigen Kriegsspiele zu vergegenwärtigen.
Der späte Nachmittag gehörte der zweistündigen Einführung in das Kriegsspiel nämlich der General- und Spezialidee, der Einteilung der Parteien nach
dem Prinzip der Armeecorps und dem Regelwerk v. Reißwitz, wie vor.
Zum Diner wurde Gala
befohlen, d.h. Kniehose, Galarock und alle Dekorationen. Das frugale Diner war dem Stile des Hauses entsprechend ein dreigängiges Menü.
Der inzwischen eingetroffene, uns wohl bekannte Musicus
K. Müller gab die folgenden Piècen auf dem Hammerklavier im Jagdsaale zum Besten, welche er nämlich auch eloquent explizierte:
Daniel Steibelt (geb 1765) mit drey Stücken,
nämlich Marsch Nr. 1 Es-Dur, Sonate Es-Dur op. 59 (1806) und Britannia, einem Stück, welches die Seeschlacht von Camperdown und den Sieg der britischen Flotte rühmte, so daß der empfindsame Zuhörer schlechterdings
nicht mankieren konnte, sich die brechenden Masten, das Rollen der Breitseiten und das Klagen der Verwundeten zu imaginieren.
Die sehr elegische Sonate fis-Moll op. 61 (1806) von Jan Ladislav Dussek (geb. 1760) – untertitelt mit ‘Elégie Harmonique sur la mort de son Altesse Royale le Prince Louis Ferdinand de Prusse’ war so recht geeignet, manches wahre Preußenherz zu rühren. Im verbleibendenden Abend widmeten die Herr sich dem Punche, Schaumwein und mehr oder weniger espritvollen
Diskursen.
Das Kriegesspiel vom Sonntagvormittag findet sich im nächsten Bericht ausführlich beschrieben.
Exz. v. Geusau verabschiedeten nach der Mittagszeit um ca. zwei Uhr die Absolventen des diesjährigen Kursus, nicht ohne dieselben zu ermuntern, sich den
praktischen Themen der Generalstabswissenschaften und verbundene Waffen in Hinblick auf das Kommende recht fleißig zu widmen.
(c) Photos: Henrik Schaper, Patrick Köstel, Christian Vogel, Lukas Fischer, Martin Klöffler
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