Aufgabe
Die Erkundung des Hafens und der Stadt Ærøskøbing im Dänischen für die Hamburger-Commerz-Deputation.
Lösung
Unser Geometer Knufinke erkundete den Hafen und suchte mehr oder weniger unauffällig seine Erkenntnisse zu sammeln, die der Kauffahrtei und dem Handel
nützlich waren, ohne dabei gewisse, nicht zu vernachlässigende militärische Aspekte in diesen kriegerischen Zeiten aus dem Auge zu verlieren.
Er benötigte also ein waches Auge, Geschick im Umgang mit der mißtrauischen Kaufmannschaft und natürlich:
- Skizzenheft
- ein Porte Crayon
Ergebnis
Aus einer Relation des Geometer Hannes Knufinke über die Anno 1804 stattgehabte Erkundung von Fünen und Ærø auf Verlangen der Hamburger Commerz-Deputation:
Unser Kutter W.W. legte den 4ten Julius des Morgens aus Faaburg ab und passierte das Feuer von Skjoldnaes auf Steuerbord gegen Mittag. Man nahm
Kurs auf Ærøskøbing längs der Nordküste von Ærø. Das Schiff machte gegen 4 bis 5 Knoten bei raumem Wind, und ich begann mit den ersten Positionsbestimmungen.
Gegen 3 Uhr erschienen die Felsen von Urehoved Steuerbord, wovon der Capitaine wegen der Untiefen nach meinen Messungen mindestens eine ½
Seemeile Abstand hielt. Man sagt, daß weiter gegen Marstal viele Untiefen zu finden seien, die nur wenig mehr als einen Faden hätten und dergestalt einen guten Lotsen notwendig machten. Als wir Urevod umrundet
hatten, nahmen wir Kurs auf das ca. 1 Seemeile entfernte Ærøskøbing. Die Rhede von Ærøskøbing ist vor abendlichen Winden durch die Halbinsel Urevod, von Morgen durch das unbewohnte Eiland Dejrø und im Mittag durch
die Küste von Ærø geschützt, gegen Mitternacht aber gänzlich offen. Die beiden ersteren eignen sich zur Aufstellung zweier Küstenbatterien, die jedoch wieder eingeebnet zu sein scheinen.
Die mittlere Tiefe ist hier 1 ½ Faden, wird jedoch zu den Ufern sehr seicht. Die Reede taugt also nur für Briggs, Schoner und andere kleine
Küstensegler. Nur eine schmale Rinne von ½ Schifflängen und ca. 2 Faden Tiefe führt zum Hafen, jetzt ohne Betonnung, da die Einwohnerschaft immer noch eine britische Landung befürchten muß. Unser Kapitän, der mit
Verhältnissen bestens vertraut ist, erreichte auch ohne Lotsen den Hafen.
Wir liefen gegen vier Uhr des Mittags unter hamburgischer Flagge ein und der überaus wohlgewichtige Zollinspektor erschien sofort auf dem
Schiff, stets auf der Suche nach Konterbande. Unser Kalfaktor Stumphusen präsentierte ihm das Beglaubigungsschreiben der Commerz-Deputation, und wurde sofort zum Kontor der Kaufmannschaft geleitet. Dies setzte mich
in die Lage, den Hafen ungestört zu erkunden, hatte ich doch auch ein Empfehlungsschreiben des Premier-Lieutenant H.v.P. vom Cron-Printzen-Regiment in der Tasche, mit dessen älteren Bruder in kurhannöverschen
Diensten ich über den Bau der Chaussee von Hameln nach Göttingen bekannt bin. Um den mißtrauischen Bürgern keinen Anlaß zu geben, schritt ich die Entfernungen nur ab und machte mir später an Bord einige
Aufzeichnungen aus dem Gedächtnis, wie beiliegend zu entnehmen. Dagegen zeichnete ich ausgiebig die Kirche, was manchem knurrigen Bürger den Anlaß bot, mir über die Schulter zu sehen und mich für einen guten
Christen zu halten.
Der gänzlich unbefestigte Hafen von Ærøskøbing liegt hinter einer steinernen Mole und bietet ca. 10 kleineren Seglern Schutz. Auf der Mole ist
eine Brustwehr aufgeschüttet, welche auch die Scharte für ein Geschütz enthält, welches aber nicht aufgestellet ist. Die Stadt ist nicht weiter gegen einen gewaltsamen Angriff gesichert, anscheinend verläßt man sich
auf den Schutz der Kanonenboote in den nächsten Häfen, wovon derer zwei, laut meines Gewährsmanns, in dem sechs Seemeilen entfernten Marstal liegen sollen und bei gutem Wetter Ærøskøbing binnen zweier Stunden
erreichen könnten. Ohnehin ist Ærøskøbing durch die Untiefen gut gesichert und so glaubt man teils zu Recht auf weitere fortifikatorische Maßnahmen auf der Seefronte verzichten zu können.
Die Hafenstadt Marstal ist zu Lande in ca. 1 ½ Wegstunden über einen kleinen Fahrweg zu erreichen, der nicht den Namen Chaussee verdienet. Die
Garnison von Marstal soll aber nur eine halbe Compagnie fast gäntzlich invalider Musketiers betragen. Von Küstenartillerie hörte ich nichts, nehme aber an, daß diese durch das Bürgermililair im Ernstfalle bedienet
wird.
Als Kauffahrteischiffe sahen wir recht eigentlich nur solche unter dänischer und schwedischer Flagge, jedoch auch eines aus Kolberg.
Die Speicher liegen unmittelbar hinter der Mole und sind deshalb einem Angriff von den gefürchteten britischen Bombenketschen besonders
ausgesetzet. Die Kaufmannschaft sollte daher überzeugt werden, einen weiteren Speicher abseits zu bauen. Das Zeughaus ist gäntzlich leer; und mein Gewährsmann sagt, daß sich alle Feuerwaffen nunmehr in Marstal
befinden. Ich sah nicht einen einzigen Soldaten, nur zwei Mann vom Bürgermilitair, was zwar der Neutralität des Handels dient, aber auch Begehrlichkeiten seitens einer Landungspartey wecken möchte.
Die Kirche von Ærøskøbing ist als eine hohe Landmarke bis auf ca. 20 Seemeilen von der Nordküste sichtbar, von Süden wird sie aber durch Höhen
der Insel verdeckt. Der übelgelaunte Küster wollte mir aber durchaus nicht den Aufstieg gewähren, so daß hier alles weitere von meinem Gewährsmann getreulich wiedergegeben wird. Eine Signalstation empfiehlt sich
hier von selbst.
Die zu erkundende Stadt Ærøskøbing gehört zum Herzogthum Schleswig und man spricht hier sowohl das Dänische als auch das Deutsche (Johannes
Hübners neue Geographie, loc.cit.). Die hiesige Kaufmannschaft wie auch die Seeleute sind den Engelländern wegen der Bombardierung Kopenhagens und der Schädigung des Seehandels durchaus feindselig gesinnt, weswegen
immer noch kein Schiff unter britischer Flagge ungestraft vor den Küsten kreuzen darf. Man versicherte mir, daß sich die Stadt gegen jeden Feind zu verteidigen wisse, sei es gegen die Britannier oder auch andere
Mächte. Vorbey sind die Tage der bewaffneten Neutralität mit Rußland, Schweden und Preußen wider andere Seemächte. Verschwiegenheit ist jetzt hier die erste Tugend, und man tuet gut daran, nicht einen Briten zu
kennen, gleichwohl ich einen Londoner Kaufmann am Speicher zu erkennen meinte. Die Neufrancken scheinen sich, merkwürdig genug für den biederen Nordländer, einer gewissen Beliebtheit zu erfreuen, wohl weil sie
erbitterte Feinde der Briten sind. In Sonderheit, treibt man mit den Russen nur den wenig ergiebigen Holzhandel.
In der Stadt mit ca. 800 Seelen leben alle vom Handel, Seefahrt oder Fischfang. Ein gewisser Wohlstand ist durchaus an den Bürgerhäusern zu
erkennen. Derzeiten stehet aber der Handel nicht mehr in Flor, und die sonst vollen Speicher für das Getreide sind halb leer. Der Westindien- und Gewürzhandel liegen gänzlich danieder, worüber Kalfaktor Stumphusen
noch zu berichten weiß. Auf den naheliegenden Werften liegen keine Schiffe mehr auf Kiel. Das Haus zum Schwan ist derzeit vakant, daher es sich als Kontor empfehlen und auf zwei Jahre für verschwiegenen Handel
gepachtet werden könnte.
Einer hohen Commerz-Deputation empfehlen sich Stadt und Hafen Ærøskøbing durchaus als verschwiegener Handelsplatz, vorausgesetzt, man
weiß sich des Wohlwollens der Kaufmannschaft, des Bürgermeisters und einiger königlicher Beamter auch in Swendborg zu versichern, wie aus beyliegender Liste zu ersehen. Die bewaffnete Neutralität des Königreichs
wird es einer hohen Commerz-Deputation erlauben, mit allen Parteien Handel zu treiben. Eine gewisse Befestigung der Seeseite möchte auch der Sicherheit des Handels dienen. Endesunterzeichner unterfängt sich, der
Commerz Deputation demüthigst nahelegen zu wollen, Schiffe dero hochwohllöblichen Commerz-Deputation entweder unter der neutralen schwedischen, lübbschen oder preußischen Flagge Handel treiben zu lassen.
Ærøskøbing, de dato 10ten Julius 1804
Johannes Knufinke,
von der Hamburger Commerz-Deputation bestallter Geometer
(c) Photo Kersten Kircher und Autor
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