Josephinische Landesaufnahme, Teil 1: Graphische Triangulation
Aufgabe
Aufnahme à la Vue binnen eines Tages, d.h. schnelle militär-topographische Aufnahme der Windsheimer Vorstadt mit den Methoden der josephinischen
Landesaufnahme.
Geschichte
Die Karte von Südwestdeutschland wurde unter dem k.k. Generalquartiermeister Heinrich v. Schmitt im Jahr 1797 als „geheime“ Kabinettskarte im 1.
Koalitionskrieg erstellt. Hier wurden die vorhandenen Karten zusammengeführt und bzw. die fehlende Abschnitte in Bayern und Württemberg von 30 Offizieren binnen eines Sommers mit dem Meßtisch nach der Methode der
josephinischen Landesaufnahme aufgenommen (Stigloher). Jedes Blatt wurde allein mit dem Meßtisch entlang der Mittagslinie aufgenommen, d.h. graphisch trianguliert. Die Karten liegen im halben Militärmaßstab von
1:57.600 im Kriegsarchiv Wien vor, was 1 Wiener Zoll auf auf 400 Wiener Klafter (1/2 Ruthe) entspricht.
Die ehemalige Reichsstadt Windsheim liegt im Blatt 114 „Scheinfeld“.
Lösung
Die Meßtischaufnahme erfolgt entlang der Mittagslinie durch Vorwärts- und Rückwärtseinschneiden.
Anhand bekannter Croquis wurde ein Entwurf der projektierten Mittagslinie im Bureau erstellt. Sodann wurde Terrain für die Mittagslinie recognosziert; da
vom Kalvarienberg die Sicht auf den gedachten Endpunkt an der Brücke durch Apfelbäume verdeckt wurde, deshalb wurde stattdessen die gemessen Mittagslinie ca. 20 Schritt nach Westen gelegt. Als Punkte der
Mittagslinie ABC wurden von Nord nach Süd bestimmt:
- A: Schornstein des Gasthauses Krone als nicht zugänglicher Ausgangspunkt. Dieser Punkt war vom Kalvarienberg der einzig sichtbare im Norden, der auf der Meßtischplatte lag.
- B: Signal auf dem Kalvarienberg ca. 15 Schritt östlich unterhalb der Kuppe, auf welcher der Telegraph errichtet wurde.
- C: Signal in der Ebene. Die Richtung wurde durch Fluchten mit Stangen über die Kuppe bestimmt und dem Teleskop sowie Boussole kontrolliert.
Als Ablauf der Vermessung ergab sich:
- Donnerstag nachmittag Erkundung der Mittagslinie, Bau des Signals B in Verlängerung der Mittagslinie von Punkt A.
- Freitag vormittag: Nördlicher Abschnitt, 2 Standlinien, topographische Detailaufnahme entlang der Standlinie N östlich der Mittagslinie
- Samstag vormittag: Südlicher Abschnitt, Verlängerung der Mittagslinie von Signal B zu Signal C, Vermessung der südlichen Standlinie. Erste Detailaufnahmen entlang der Mittagslinie
- Sonntag vormittag: Detailaufnahmen im Dorf westlich der Mittagslinie, gefolgt von Detailaufnahmen in der südlichen Ebene
Die Instrumente für die Meßtischaufname sind nach Paldus, S. 18-19:
- Leichter Meßtisch
- Diopterlineal
- Boussole zur Orientierung
- Billardkugel zum Horizontieren
- Maßstabslineal in Schritt
- Porte Crayon
- Lot
- Lotgabel
- und weitere Winkelmeßinstrumente
Für die Vorbereitung des Blattes wird eine Messingplatte im Maßstab 1:2000 graviert: Die Einheiten von 100 Schritt im Quadrat entsprechen ca. 75m.
Die Mittagslinie wird nach dem bekannten Verfahren auf dem Meßtisch bestimmt und die magnetische Deklination zu 2°15´ West bestimmt. Diese wird in
der Mitte der Platte eingraviert und beschriftet. Mit Hilfe der Boussole kann die Mittagslinie nun auch ohne die Sonne bestimmt werden.
Generalmajor von Elmpt bestimmte 1782:
„wenn die Herren Stabsoffiziers vom Generalquartiermeisterstabe […] von der Meridionallinie eine wahre Kenntnis haben und verstehen, wie solche zur Sommerzeit bei heiteren Tagen muß
gesuchet und nach einer beliebigen Länge bestimmt werden, so werden sie ohnschwer erkennen, dass die Meridionallinien […] einander parallel sein müssen.“
Anmerkung: die Mittagslinien sind mitnichten parallel wegen der Meridiankonvergenz.
Die Ränder der Messingplatte werden gekerbt, so die Platte nur auf den Karton gelegt werden braucht. Mit dem Bley und Lineal werden die Quadrate
gezogen. Das vorbereitete Blatt wird an den Kanten gefalzt und von unten an die Meßtischplatte geleimt.
Die Standlinien wurden zu Fuß abgeschritten und auf dem Meßtisch direkt übertragen:
- NO: Nordost in etwa parallel zur Mittagslinie längs des Fahrweges
- N: Nord auf dem Feld hinter den Häusern bis zur doppelten Apfelbaumreihe
- S: Süd in der Ebene, in etwa senkrecht zur Mittagslinie, mit einem Endpunkt am Signal C.
Von den End- und Zwischenpunkten der Standlinie wurden die Punkte ABC der Mittagslinie angeschnitten und auf dem Blatt festgelegt. Von den End- und
Zwischenpunkten der Standlinie wurden weitere Objekte vorwärts angeschnitten. Außerhalb der Standlinie wurde der Tisch per Rückwärtseinschneiden positioniert und dann weitere Punkte per Vorwärtseinschneiden
bestimmt. Auf kurze Entfernungen wurde die Entfernung direkt durch Abschreiten vermessen (Radialverfahren).
Ergebnis
Die Hitze der drei Tage erlaubte nur Arbeiten im Felde von Sonnenaufgang bis ca. 10 – 11 Uhr am Vormittage, was ca. 12 Stunden für die oben
beschriebenen Arbeiten des Ingenieurgeographen mit einem Gehilfen ergibt. Somit ist der Nachweis erbracht, daß das gesamte Gelände à la vue in einem Tage mappiert werden könnte.
Die Manuskriptkarte wird im Teil 2 erstellt.
Diskussion
Die von Beaulieu vorgeschlagene Basisvergrößerung von der Standlinie N parallel zur Mittagslinie erwies sich unter den gegebenen Umständen als wenig
brauchbar, da die schleifenden Winkel zu großen Ungenauigkeiten führten. Dies mußte nachträglich ausgehend von der südlichen Basis korrigiert werden. Die Basisvermessung im südlichen Abschnitt war dagegen leicht zu
bewerkstelligen.
Die Mittagslinie für die „mittelabstandsgetreue“ Plattkarte des Meßtischs kann nur theoretisch in die Halbierende des Meßtisch-Blattes gelegt
werden. Die benachbarten Punkten sollten untereinander sichtbar sein, mindestens aber die nächst-benachbarten Punkte. Unzugängliche Punkte der Mittagslinie müssen indirekt über eine Basiserweiterung vermessen
werden. Ebenso benachbarte, gleichwohl zugängliche Punkte, bei denen die Entfernung nicht direkt gemessen werden kann. Wenn das Terrain eine Verlängerung der Mittagslinie unmöglich machte, ist die Aufnahme
vermutlich mit einer neuen Mittagslinie parallel zur alten Linie fortgesetzt worden.
Was im ebenen Terrain leicht zu mit Pflöcken abzustecken ist, kann im bergichten oder waldichten Terrain bedeutende Verlegungen erzwingen.
Quellen
Wolfgang Stigloher: Die Militärkartographie in Bayern um die Wende des 18. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Schmidtschen Karte von Südwestdeutschland, Dissertation, Technische
Universität München, 1984
Josef Paldus: Die militärischen Aufnahmen der Habsburger Länder aus der Zeit Kaiser Josephs II. ausgeführt durch den k.k. Generalquartiermeisterstab 1763-1785, Akademie der Wissenschaften, Wien 1919
.(c) Photos Phil Thomason, Martin Klöffler
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