Ausstellung
„Fremde - Feinde - Freunde. Franzosen in Bottrop und im Land an Emscher und Lippe vom 16. bis zum 21. Jahrhundert“
Quadrat Bottrop, 9. Mai bis 11. Juli 2010
Ingénieurs géographes
Des Camps & Armées Du Roi [von den Feldlagern und Armeen des Königs]
Die französischen Ingenieurgeographen
(deutsch Feld-Ingenieure oder auch Wegweiserpersonal) im siebenjährigen Kriege gehören zu den nicht-kämpfenden Truppen und konnten als die Vorläufer der der späteren Generalstabsoffiziere angesehen werden. Sie waren noch ohne spezielle Ausbildung, d.h. sie wurde teils aus den Regimentern genommen, teils aus dem Ingenieurcorps zu diesen Aufgaben kommandiert. In Frankreich begann sich das spätere
Corps des Ingenieurs géographes
unter Baptiste Berthier um 1760 zu formieren, und sie galten in ihrer Zeit als führende Militär-Kartographen in Europa. Ihre Aufgaben waren also streng von denen der eigentlichen Ingenieure, d.h. der Kriegsbaumeister, geschieden.
Sie waren dem Stab der Feldherrn
(Quartiermeisterstab) beigegeben und hatten vielfältige Aufgaben bei der Vorbereitung eines Feldzugs und während des Feldzugs im Sommer zu bewältigen, ohne jedoch ein selbstständiges Kommando wahrzunehmen. Ihre Aufgaben waren im Einzelnen:
- Erkunden von feindlichen Positionen, Wegen, Lagern, Übergängen, Städten, Festungen
- Erstellen von provisorischen Karten
- Ausbesserung von Wegen
- Bau von provisorischen Brücken
- Errichten von Feldbefestigungen
- Anleiten zu Belagerungen
- Einrichten von Heerlagern
- Abwickeln von Spionage- und Nachrichtendiensten
- Allgemeine Stabsdienste, wie Verfassen von Berichten an den Feldherrn
Kurz gefaßt, sie mußten alle Erkundigungen einziehen, die der Feldherr selbst in Person nicht übernehmen konnte, durfte oder wollte. Sie
begleiteten den Feldherrn bei den Erkundungen und wurden daher als die AUGEN DER FELDHERRN
bezeichnet, blieben aber selbst im Hintergrund. In ihrer Hand lagen also Aufgaben vereint, welche mit später auf die Kartographen, Pioniere bzw. Ingenieure, Nachrichtendienste und Generalstäbler verteilt wurden.
Für diese Aufgaben waren ihnen beigegeben:
- Ortskundige Bauern, meist gegen Bezahlung, aber auch oft zum Dienst gezwungen.
- Husaren oder Guiden (Berittene) und auch leichte Infanterie zur Bedeckung
- Arbeiter oder Pioniere für die Bau- und Reparaturarbeiten
Speziell in Westphalen und Hessen bedurften der Marschall Contades und sein Gegner, der Herzog von Braunschweig, provisorischer topographischer
Karten (Situationskarten) für ihr Heer, da die vorliegenden Karten die erforderlichen Details nicht enthielten.
Exponate
Zeigen das typische zeitgenössische Handwerkzeug der Ingenieurgeographen für die folgenden Aufgaben:
- Entfernungsmessung
- Abstecken eines Lagers
- Aufnehmen einer Karte
- Zeichnen von Plänen und Karten
Weiter sind zu sehen:
- Französische Wege- und Lagerpläne (Chateaux Vincennes)
- Berichte aus den Archiven des Vest Recklinghausen
Figurine
Unser recht höflich grüßender Ingenieurgeograph „Louis Charles Dupain [de Montesson]“ ist wie ein Kavalier (Edelmann) aus der Mitte des
18. Jahrhunderts gekleidet; er trägt hier die Uniform eines französischen Ingenieurs nach der Ordre du Roi 1758 (Bekleidungsvorschrift), da die Ingenieurgeographen noch kein eigenes Corps mit
einer besonderen Uniform bildeten. Diese Vorschrift sieht rote Unterkleider, d.h. Kniehose und Weste vor. Der dunkelblaue Rock erhält große schwarze samtene Aufschläge mit vergoldeten Knöpfen. Durch
diese auffällige Uniform waren sie von jedermann sofort als Ingenieure zu erkennen, allerdings auch vom Herrn Gegner, was dann durchaus kein Vorteil war. Eine Paradeuniform trug man nicht, vielmehr wurde
das gleiche Stück jahraus und jahrein getragen, so daß die wirklichen Feldoffiziere sehr einfach an ihren verschlissenen Uniformen zu erkennen waren. Die recht schlichten Uniformen der Ingenieure und
Artillerie sind der Ausdruck eines geringeren Ansehens in der Armee; so fehlen unter anderem die Stickereien oder Borten, welche die Offiziere des Stabes, der Infanterie oder Kavallerie trugen.
Die Herren waren selbst im Felde möglichst frisiert, d.h. man trägt das gepuderte eigene Haar an den Schläfen lang oder trug eine Perücke mit
zwei oder mehr Seitenlocken sowie einen Zopf. Der dreieckige Hut mit goldener Borte ist nicht weiter bestimmt. Der Degen darf als Zeichen des Standes niemals fehlen: Unser Offizier trägt hier einen
einfachen Kavaliersdegen mit einem Gefäß aus Eisenschnitt und goldener Dragonne (Degenquaste). Außer Dienst darf er auch seine weißen Sommer-Gamaschen ablegen, und beim Reiten werden die Schuhe gegen
Stiefel getauscht. Im Winter oder bei schlechter Witterung wurde ein weiter Mantel getragen. Als eherne Regel galt immer, wenigstens mit Halsbinde und Weste bekleidet zu sein, und dies selbst bei der
größten Hitze… Das Hemd mit Rüschen, man mag es passend finden oder auch nicht, diente auch als Unterhemd und –hose zugleich, und wer sauber war, wechselte dies alle vier Tage.
Allerdings waren die Uniformen bei weitem noch nicht so vereinheitlicht, so daß viele Offiziere ihre Uniformen nach eigenem Gutdünken ergänzt
und auch passend zur Witterung getragen haben. Es hätte wahrscheinlich Verwunderung hervorgerufen, wenn einer der Herren – wie hier - wirklich nach dem Reglement gekleidet gewesen wäre. Man hätte
dann wohl gedacht: „Dieser Fatzke ist gerade vom Kriegsministerium aus Paris gekommen.“ Will sagen, er muß seinen Lektionen im Felde noch lernen, wozu eine unauffälligere Kleidung dienlich ist.
Mehr Information im Artikel: Wo ein Berg ist, mach er einen Kleks.
(c) Photos Martin Klöffler
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